Künstlich intelligente Helfer: Chatbots im Kundenservice

Künstliche Intelligenz
Fachartikel

Chatbots sind das Thema der Stunde. Sie bieten nicht nur Unternehmen, sondern auch Kunden zahlreiche Vorteile. Unser Fachartikel fasst zusammen.

Laut SEO-Experten sollten Unternehmen in ihren Website-Texten ganze Sätze verwenden und Überschriften in Form von Fragen formulieren, die potenzielle Kunden stellen und in eine Suchmaschine eingeben könnten. Dieser Tipp kommt nicht von ungefähr: Intelligente Suchmaschinen verstehen Fragen sowie ganze Sätze und liefern dementsprechend relevante Ergebnisse. In der Regel erkennt die Suchmaschine bereits beim Tippen des ersten oder zweiten Wortes, was der Nutzer von ihr wissen möchte. Computer können heute so programmiert werden, dass sie menschliche Intentionen, Entscheidungen und die dahinterliegenden Strukturen sozusagen „vorhersehen“ und passgenaue Antworten beziehungsweise Daten ausgeben. Und mehr noch: Computer sind in der Lage zu lernen. Sie merken sich frühere Suchabfragen, Entscheidungen und Muster und können zukünftige Ergebnisse anhand dessen optimieren.

Bots, KI und Mensch: Wichtige Puzzleteile im Contact Center

Dieser Trend spiegelt sich in den Chatbots, die aktuell omnipräsent im Service scheinen. Auf Websites jeglicher Art begegnen uns kleine Chatfenster, in denen Avatare uns als Assistenten Hilfe in der Kommunikation anbieten. Hinter diesen Fenstern stehen Computerprogramme, die sogenannten Chatbots. Ein Chatbot ist eine Software, die textbasierte Dialoge mit Menschen führen kann. Anhand von Schlüsselwörtern, Wortkombinationen und Synonymen führt sie, entlang einer Baumstruktur, regelbasierte Wenn-Dann-Operationen aus. Das heißt, sie liefert auf bestimmte Schlüsselwörter oder Wortkombinationen Antworten oder Inhalte aus, die zuvor in einer Bibliothek hinterlegt wurden.

Sofern das Ende eines Antwortbaums erreicht wird, der Chatbot also nicht mehr weiterweiß, leitet die Software den Chat an einen Menschen weiter. Oder aber die KI-basierte Software führt anhand vorgegebener Klassifizierungen, mithilfe gezielter Abfragen an den Chatnutzer oder Schlüsselwörtern und Wortkombinationen Wahrscheinlichkeitsberechnungen durch, um das Anliegen des Anwenders zu erkennen und eine passende Antwort zu liefern. Auch dabei bedient sich die künstliche Intelligenz aus einem zuvor festgelegten Datenpool. Und sie lernt dazu: Denn die Validität ihrer Wahrscheinlichkeitsberechnungen steigt mit der Zahl der Berechnungen.

Chatbot, künstliche Intelligenz und menschliche Agenten – diese drei Puzzleteile im Kundenservice werden im Servicekanal „Chat“ aus technischer Sicht beliebig kombiniert. Wer schon einmal einen Chatbot genutzt hat, weiß: Die Technik funktioniert erstaunlich gut. Für Anwender ist meist kaum zu erkennen, ob ihr Anliegen von einem Menschen oder einer Maschine bearbeitet wird.

Chat im Kundenservice ist längst Mainstream

Regelbasiert arbeitende Bots geben vor allem häufig Antworten auf wiederkehrende Fragen oder Anliegen, die sich gut mit Regeln fassen lassen. Im Einzelhandel sind das Fragen wie „Wo finde ich kurze, blaue Hosen für Männer?“, denn die Kategorien „kurz“, „blau“, „Hose“ und „Mann“ lassen sich mithilfe von Wenn-Dann-Abfragen einfach aus dem Produktkatalog auslesen. Ein zweites Beispiel aus der Retail-Branche ist die Frage nach dem Status einer Bestellung. Auch hier lassen sich die notwendigen Kategorien (z.B. die Kundennummer) relativ einfach mit einer Abfrage aus dem Warenwirtschaftssystem verknüpfen und das entsprechende Ergebnis liefern.

Versicherer wiederum können beispielsweise Schadensmeldungen komplett Chatbot-basiert umsetzen. Denn sämtliche Eckdaten, darunter die Versicherungsnummer, das Datum, die Höhe der Kosten und sogar Bilder, lassen sich mithilfe eines textbasierten Dialogs ebenso gut erfassen wie telefonisch.

Für Unternehmen bietet die Verlagerung einfacher Kundenanfragen von teuren Kommunikationskanälen wie dem Telefon auf einen günstigeren Kanal (den Bot) erhebliche Einsparpotenziale. Geht man im Falle einer Versicherung zum Beispiel davon aus, dass ein Agent für die telefonische Erfassung einer Schadensmeldung durchschnittlich zehn Minuten Arbeitszeit benötigt und der Minutenpreis bei einer Anfrage dieser Qualität bei circa 1,50 Euro liegt, belaufen sich die Kosten auf rund 15 Euro pro Kontakt. Die Opportunitätskosten für die möglicherweise frustrierende Wartezeit für den Kunden in der Warteschleife sind dabei noch nicht eingerechnet. Allein die Kosten für Arbeitszeit, die zur Erfassung des Schadensfalls im System benötigt wird, lassen sich mithilfe des Bots um ein Vielfaches senken.

Mensch und Maschine arbeiten Hand in Hand

Klassifikation wiederum wird für Anliegen genutzt, deren Richtung nicht genau abgeschätzt werden kann, sowie in Bereichen, in denen sich das Produktangebot ständig wandelt. Die Anliegenerkennung bei Versicherungen ist ein typischer Fall. Der Kunde muss zunächst einer Unternehmenssparte zugeordnet werden, etwa Lebens-, Kranken- oder Kfz-Versicherung. Ein vergleichbarer Anwendungsfall aus dem E-Commerce-Bereich wäre die durch den Bot gestellte Frage „Wonach suchen Sie?“. Hier muss der Kunde zunächst einer Produktgruppe zugeordnet werden. Wenn er beispielsweise nach einem neuen Staubsauger sucht, kann dieser mit Kabel oder Akku betrieben werden, einen Beutel haben oder nicht, von einem bestimmten Hersteller sein oder aber der Kunde hat konkrete Preisvorstellungen.

In beiden Fällen tastet sich der Bot mithilfe von Konfidenz-Abfragen zum passenden Anliegen oder Produkt vor. Häufig wird hier mit dem sogenannten Hybriden Modell gearbeitet, also der Kombination aus Mensch und Maschine. Wenn die Software das Anliegen nicht zweifelsfrei zuordnen kann, wird der Chat einem Menschen überantwortet. Der Agent kann den Chat dann, je nach Vorgabe, frei weiterführen oder auf vorgefertigte Antworten zurückgreifen.

Auch beim komplexeren Klassifikationsschema soll Arbeitszeit auf einen kostengünstigeren Kommunikationskanal verlagert und Kundenkommunikation effizienter gestalten werden. Die Software findet kurze blaue Hosen für Männer mitunter viel schneller als ein menschlicher Agent.

Manchmal ist die Zahl der anlaufenden Geschäftsvorfälle überhaupt erst durch die Unterstützung eines Bots innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens (etwa in Stoßzeiten) zu meistern. Ein Versicherer konnte beispielsweise dank eines von IP Dynamics implementierten Chatbots den Anfragen-Peak zur Zeit des Versicherungswechsels innerhalb kurzer Zeit vollständig abarbeiten. Nur mit dem Kanal Telefon wäre das nicht möglich gewesen. Mithilfe des Chatbots hat dieser Kunde allein an Provisionen einen Umsatz im sechsstelligen Euro-Bereich eingefahren.

Chatbots revolutionieren das Contact Center

Die Integration von Chatbots als Assistenten bietet nicht nur betriebswirtschaftliche Vorteile, sondern spielt auch den Konsumenten in die Hände und wirkt sich somit positiv auf das Image des Unternehmens aus. Es geht darum, für anspruchsvolle, online-affine und -erfahrene Zielgruppen attraktiv zu bleiben. Kunden suchen nach einem einfachen Kommunikationsweg, über den sie rund um die Uhr schnelle Antworten bekommen. Dies geht unter anderem aus dem „2018 State of Chatbots Report“ hervor, für den mehrere Unternehmen eine repräsentative Stichprobe der US-Bevölkerung befragt haben. Dieser Studie zufolge stehen die Punkte „Service rund um die Uhr“, „Schnell eine Antwort erhalten“, „Antworten auf einfache Fragen erhalten“ und „eine einfache Kommunikationsmöglichkeit“ aus Nutzersicht ganz oben auf der Liste der genannten Vorteile eines Chatbots.

Customer Care muss aus Unternehmenssicht kostengünstiger und effizienter werden. Kunden wollen einfachere und schnellere Kommunikationskanäle im Kontakt mit den Unternehmen nutzen und gleichzeitig besser bedient werden. Wir stehen am Anfang einer großen Entwicklung, die den Kundenservice und das Contact Center auf lange Sicht umkrempeln wird. Möglicherweise werden Contact Center, die auf menschliche Agenten routen, auf lange Sicht vollständig abgelöst. Vor allem in puncto künstliche Intelligenz und Machine Learning sowie im Hinblick auf die Nutzung der auflaufenden Daten für die Analyse sind längst noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft.

Foto von Dr. Moritz Liebeknecht.  Lächelt in die Kamera.
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